artpark
Gerhard Sauter Text
"Malerei muss der inneren Notwendigkeit gehorchen"
Wassily Kandinsky
Die Gemälde von Gerhard Sauter, die dem spontanen, gestischen Malimpetus entspringen, erhalten ihre Energie aus der ebenso dynamisch-kraftvollen wie sanft vermalenden Darstellungsweise, welche Unschärfe und Klarheit, unruhige und kontrollierte Bildpartien miteinander verbindet.
Der Künstler reagiert während des intuitiven Malprozesses spontan auf Farben und Formen, er lässt sich durch sie anregen und leiten. So kennzeichnen seine Bilder sowohl das Eruptive des expressiven Farbauftrags als auch energievolle Linienführungen, die sich mehr oder weniger vehement aus seinem Inneren heraus auf Leinwände oder Papier entladen.
Und stets schwingt Unbewusstes mit. So fließen in seine mal groß-, mal kleinformatigen Arbeiten sein ganzes Wollen und Fühlen, seine gesamte malerische Erfahrung und seine hohe künstlerische Sensibilität hinein.
Seine bewegten Farbgesten wirken bisweilen wie ein Schrei oder wie ein Aufbäumen aus dem tiefsten Inneren. Dabei hat er aber seine Emotionen unter Kontrolle. Denn brachiale Gewaltausbrüche, welche Emotionen ungefiltert zum Ausdruck bringen, findet man auf seinen Arbeiten eher nicht.
Sauters Werke machen das Zusammenklingen der Farben in ihren Eigenschaften zum Seherlebnis. Auf vielen dominiert das Rot in seiner Entschlossenheit. Triumphierend behauptet es sich gegenüber dem Schweigen des Schwarz sowie dem eisigen Grauweiß und wird von diesen in seiner Strahlkraft befeuert. Das großformatige Acrylbild von 2013 (160 x 180 cm) besteht aus diesem Dreiklang. In seiner Unruhe wühlt es auf und durch seine an spitze Felsen erinnernden Formen hat es etwas Gewaltiges. Auch scheint der Bereich hinter den schroffen Formen unwägbar wie undurchdringlich und erzeugt Gefühle von Verlorenheit und Orientierungslosigkeit.
Während das grelle Rot bisweilen aggressive Ausdruckskraft annimmt, lässt die blaue Farbe das Auge zur Ruhe kommen und den Betrachter die unergründliche Tiefe eines Raumes erahnen.
Auf dem Gemälde von 2008 (90x110 cm) öffnet helles Blau mit seinen zarten Nuancen den Blick auf einen wie beruhigt da liegenden See, der wie eine Befreiung aus dem erdrückenden Dunkel des Umfeldes wirkt. Sauter arbeitet immer mit spannungsvollen Kontrasten, die die Wucht der Bilder unterstreichen. So entfaltet auf dem breitformatigen Seestück von 2015 (120 x 260 cm) das großflächige dunkle Blau der rechten Seite seine unausweichliche bedrohliche Kraft, mit der es die aufbegehrenden hellen bis ins Weiß aufblitzenden Blau- bzw. Schwarzgrautöne der linken Seite zu verschlingen droht.
Auf andern Bildern spielt auch das warme Gelb eine wichtige Rolle. Selten sticht es und immer bewegt es sich auf den Betrachter zu. Mit seinem sanften Klang taucht ein Hauch von Licht in Sauters Bildern auf. Es verleiht diesen subtile Wärme sowie ein verborgenes Leuchten, welches vom Betrachter entdeckt werden muss. In seinem Glanz, dessen leuchtende Energie mal hier, mal dort mild aufschimmert, behauptet es seine zurückhaltende aber wohltuende Gegenwart.
Trotz ihrer Wucht atmen die Bilder des Malers, die er meist vom Hintergrund nach vorne entwickelt, eher etwas Leises, denn der Künstler zelebriert mit ihnen die Kunst des magischen Verdeckens.
Seine dynamischen Malgesten überlagern, durchdringen und verdrängen sich, so dass die Farben mal auf den Betrachter zu kommen oder stumm zurück weichen, wodurch unerwartete geheimnisvolle Vorder- und Hintergründe entstehen.
Und wenn Farbverschleifungen Flüchtiges und sich Verflüchtigendes, zum Seherlebnis machen, dann entsteht ein unwirklicher Zustand des In-der-Schwebe-Seins. Dieser bewirkt den geheimnisvollen Zauber der Gemälde Gerhard Sauters, die kein Oben und Unten, keine festigende Mitte haben, dafür aber Chaos und Poesie in Schwerelosigkeit vereinen.
Ihre geheimnisvolle Aura erhalten die Bilder auch durch das unerwartete Aufblitzen bzw. Auf- und Abtauchen gegenständlicher Irritationen. Obwohl sie im Andeutungshaften behaftet bleiben, überraschen sie den Betrachter und versetzen ihn in Staunen. Kann das, was assoziiert wird, wirklich gemeint sein? Ist da das Gesicht eines menschlichen Wesens zu erkennen und handelt es sich auf dem Bild von 2012 (50 x 60 cm) um Boote, die vom Blaugrau des Himmels wie auch vom dunklen Wasser nahezu verschluckt werden? Sauter provoziert und entlarvt das Suchen des Betrachters nach Gegenständlichem, indem er Raum für das freie Spiel von Assoziationen bietet.
Beim Anblick seiner Bilder wird der Betrachter unwillkürlich an die Musik erinnert. So macht der Künstler, der leidenschaftlich gern Klavier spielt, aus seiner Liebe zu Chopin und Skrjabin kein Geheimnis und bringt auf malerische Weise Harmonien und Disharmonien, schnelle und langsame Rhythmen, helle und dunkle Farbklänge zum Klingen.
Analog zur Musik improvisiert und verschmilzt er seine Farben. Analog zur Musik bewegen und halten sich schwebende Farbklänge auf der Leinwand wie musikalische Töne den Zuhörer berühren und in ihm nachhallen.
Mit seinen zeitlos aktuellen Gemälden gelingt es dem Künstler auch immer wieder Assoziationen bzw. Erinnerungen an tief empfundene, nachhaltige Landschaftserlebnisse zu erzeugen. Die Ideen hierzu holt er sich auf seinen ausgedehnten Spaziergängen am Altrhein. So fließen Spiegelungen auf dem Wasser wie auch die Bewegung sturmgepeitschter Bäume in seine Bilder ein. Und es scheint, als ob sich auch die erlebten Nebel bzw. Nebelverschleierungen mal dicht, mal transparent vor die Farben schieben. Sie vermischen sich mit diesen und tragen entschieden dazu bei, dass die eigentliche Landschaft verborgen bleibt.
Seine dem Abstrakten Expressionismus zuzuordnenden Werke verkörpern mit ihren weiten Fernen und unberührten Tiefen Seelenlandschaften und Sehnsuchtsbilder gleichermaßen.
Geprägt von zarten oder mächtigen Stimmungen sowie von Erscheinung und Verschwinden atmen sie Vorübergehendes, wodurch sie von einer Melancholie durchtränkt sind, die den Maler als modernen Romantiker entlarvt. Als solcher verwebt er Innen und Außen, Sichtbares und Unsichtbares zu einer Einheit und erzeugt damit eine Ahnung von dem beruhigenden geistigen Raum, welcher durch stille meditative Versenkung erlebt werden kann.
Aloisia Föllmer
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